Mit geübtem Griff nimmt Ingolf Kasch die Pute aus, Mitarbeiter Frederick spült den Schlachtkörper sauber ab und stülpt ihn auf den Abtropfwagen. Jeden zweiten Mittwoch ist auf dem Geflügelhof Kasch in Mähringen im Landkreis Tübingen Schlachttag, ab November bis Weihnachten sogar jede Woche. Schon seit 4 Uhr ist Ingolf Kasch auf den Beinen und hat den Brühkessel angeheizt. Um 5 Uhr stößt Sohn Jonas dazu und gemeinsam setzen sie die zur Schlachtung bestimmten Tiere in die Transportkisten. „Das machen wir immer im Dunklen, dann sind die Tiere ruhiger und die anderen bekommen kaum etwas davon mit“, begründet der Geflügelhalter. Um 6 Uhr beginnt die Schlachtung.
Heute werden 17 Puten und 120 Hähnchen geschlachtet, überwiegend auf Vorbestellung. Im Schlachtraum arbeiten Jonas Kasch und zwei weitere Mitarbeiter. Es ist ein ruhiges Arbeiten, die Arbeitsabläufe sind eingespielt. Rund 50 Hähnchen können beispielsweise pro Stunde geschlachtet werden. Betäubt werden die Tiere mittels Elektrozange. Nach dem Brühen und Rupfen in der Maschine wird an einem Arbeitstisch nachgerupft, der Schlachtkörper abgespült und durch eine Durchreiche in der Wand nimmt Ingolf Kasch die Tiere zum Ausnehmen entgegen. Hier beginnt der Weißbereich.
Langwieriges Verfahren
Das Schlachtgebäude haben Kaschs neu gebaut und 2014 in Betrieb genommen. Auf 120 m2 finden sich der Schlachtraum, der Ausnehm- und Zerlegeraum mit direkten Zugang zur Kühlzelle sowie die Umkleide für die Mitarbeiter. Ausreichend Platz war dem Geflügelhalter wichtig, denn wenn vor Weihnachten das Saisongeflügel geschlachtet wird, arbeitet ein bis zu achtköpfiges Team in den Räumlichkeiten. Für die erforderlichen Genehmigungen für den Bau und die EU-Zulassung hatte Ingolf Kasch eng mit den zuständigen Behörden zusammen gearbeitet. Ob eine Genehmigung nach BImSchG erforderlich ist, ist eine Gewichtsfrage.
Nach der geltenden Rechtslage dürfen ohne BImSch-Genehmigung pro Tag maximal 500 kg Lebendgewicht geschlachtet werden. Diesen Wert übersteigt Ingolf Kasch an manchen Schlachttagen und müsste dann einen weiteren Schlachttag ansetzen. Das verursacht nicht nur mehr Arbeit, z. B. den doppelten Putzaufwand, sondern passt überhaupt nicht zu den betrieblichen Abläufen. Mit steigenden Mengen stellte er im Januar 2021 einen BImSch-Antrag auf Erhöhung der Menge. Am Ende dauerte es ein Jahr und 11 Monate, bis die Genehmigung vorlag. Die BImSch-Genehmigungen erteilen die Umweltbehörden. Für den Fall des Schlachthauses wussten die aber nicht so genau, was Kaschs brauchten, und „wir wussten nicht, was wir liefern mussten“, fasst der 54-Jährige das Dilemma zusammen. Für die BImSch-Genehmigung sind zum Beispiel Lärm-Gutachten erforderlich und die Belastung der Luft muss ermittelt werden. Außerdem müssen Mengen pro Schlachttag und Jahr und Arbeitszeiten pro Schlachttag festgelegt werden. Ingolf Kasch darf nun von 6 bis 18 Uhr schlachten, bis zu 2 615 kg Lebendgewicht pro Schlachttag und maximal 50 t pro Jahr.
Froh über die Genehmigung
Rund 10 000 € hat ihn das gesamte Verfahren gekostet und natürlich jede Menge Nerven. „Aber ich bin froh, dass wir die BImSch-Genehmigung haben“, sagt Ingolf Kasch. „Damit sind wir gewichtsmäßig immer auf der sicheren Seite und können unsere eingespielten Abläufe beibehalten. Diese sind so getaktet, dass nach dem Schlachten gründlich gereinigt wird und am Nachmittag die Zerlegung startet. Am Donnerstagmorgen werden die Teilstücke vakuumiert und Freitag, Samstag sind die Hauptverkaufstage im Hofladen. „Am Dienstag wird noch frisch verkauft“, erklärt Liane Kasch. Der Hofladen ist das Metier der gelernten Fleischereifachverkäuferin. „Wir haben ein Verbrauchsdatum von einer Woche.“ Was dann nicht vermarktet werden konnte, friert Liane Kasch ein und hat so ganzjährig hofeigenes Geflügel im Angebot. Das Geflügel wird überwiegend auf Vorbestellung vermarktet, Enten und Gänse ausschließlich. Die Kunden können das ganze Tier oder das ganze Tier zerlegt kaufen. Die Teilstückvermarktung von Enten und Gänsen haben Kaschs wieder eingestellt, weil die Kunden vor allem die edlen Teile nachgefragt haben und Flügel oder Schenkel nur schwer zu vermarkten waren. „Um am Ende Gewinn zu erwirtschaften, müssten wir zu hohe Kilopreise für die Teilstücke nehmen“, nennt Liane Kasch einen wichtigen Aspekt. Teilstücke gibt es von Hähnchen und Pute. Im Sommer ist Schlachtpause. „Meist starten wir wieder mit dem Ende der Sommerferien Mitte September mit dem Frisch-Verkauf“, erläutert Liane Kasch.
Mit Wachstumspotenzial
„Pro Jahr schlachten wir rund 23 t Geflügel“, nennt Ingolf Kasch eine Größenordnung. Laut Genehmigung könnte er viel mehr schlachten und er erhält auch regelmäßig Anfragen zur Lohnschlachtung. Aktuell steht das nicht an. Für einen weiteren Wachstumsschritt müssten Mitarbeiter eingestellt und mehr Aufgaben abgegeben werden. „Wir sind ein Familienbetrieb und möchten die zentralen Aufgaben in Landwirtschaft, Tierhaltung und Vermarktung in der eigenen Hand behalten.“