Sophie Braumiller wirft einen Blick auf die Umsatzzahlen der vergangenen Monate und freut sich. Zu Recht, schließlich erwirtschaftet sie durch die mutige Umstrukturierung ihrer Hofmetzgerei deutlich mehr Umsatz. Die 25-jährige Metzgermeisterin aus Biburg führt gemeinsam mit ihrem Bruder Johannes den elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb mitsamt der Hofmetzgerei weiter.
Flexible Verkaufszeiten anbieten
Wenn die Metzgerei Donnerstag bis Samstag ihre Türen für den Verkauf öffnet, ist der Andrang groß. Nicht selten stehen die Kunden bis auf den Hof Schlange. Die Öffnungszeiten für den Bedienverkauf zu erweitern, erschien der jungen Unternehmerin alleine schon wegen fehlender Personalkapazitäten nicht mehr zeitgemäß. Sie befürchtet außerdem: „Vielleicht hat das Modell mit festen Öffnungszeiten bei vielen – gerade jüngeren – Kunden ausgedient?“ Sophie hat für ihr Dilemma eine Lösung gefunden: Vor gut einem Jahr investierte sie 60 000 € und baute ihren 20 m2 großen Verkaufsraum zu einem Hybridladen um. „Von Donnerstag bis Samstag bleibt alles wie gehabt, von Samstagnachmittag bis Donnerstagmorgen verwandelt sich unsere Verkaufsfläche zu einem digitalen Smartstore“, erklärt Sophie Braumiller stolz. Herzstück ist die neue, 4,6 m lange Kühltheke von Aichinger, Modell Sirius 3 mit dem Aufsatz Filou für rund 36 000 €. Mit einer Auslage von 3,7 m² bietet sie viel Platz für das Sortiment. Der besondere Clou: Mit wenigen Handgriffen lassen sich die Glasfronten verschieben, so dass die Bedientheke im Nu von einer Person zu einer SB-Theke umgerüstet werden kann.
Um den Laden SB-tauglich zu machen, holte sie sich als Digitalexperten Michael Kimmich von SmartStore24 aus Augsburg ins Boot. Folgende Lösungen sorgen inzwischen auf Braumillers Hof für zufriedene Kunden: Die Digitalisierung beginnt am Eingang des Hofladens. Zum Öffnen der Ladentür bietet die Direktvermarkterin zwei Optionen an. Entweder lassen sich die Kunden registrieren und erhalten einen QR-Code. Wird dieser vor den Scanner an der Wand neben der Eingangstür gehalten, öffnet sich diese. Alternativ können die Kunden zum Türöffnen ihre Giro- oder Kreditkarte vor ein separates Lesegerät halten.
RFID-Chip für jedes Produkt
Zu groß war Sophies Befürchtung, dass beim SB-Verkauf aus Unkenntnis Fehler passieren, wenn Kunden eigenverantwortlich Produkte abwiegen und anschließend die Preisetiketten einscannen müssen. Deshalb entschied sie sich für die Verwendung von RFID-Chips (Radio Frequency Identification). Bei diesem System wird jedes verpackte Produkt mit Hilfe einer mobilen Kodierstation gewogen und ausgezeichnet. Die Station besteht aus Waage, Drucker, integriertem Digitalisierungsmodul und RFID-Antenne. Parallel wird ein RFID-Chip programmiert, der anschließend auf das Produkt geklebt wird. Dieser selbstklebende Chip, auch Tag genannt, enthält alle Produktinfos wie Bezeichnung, Verwendungshinweise, Gewicht, Preis und Haltbarkeit. Er lässt sich nur einmalig verwenden und kostet im Einkauf 12 Cent pro Stück.
Nach Auswahl der Produkte geht der Kunde zum Kassenterminal, um die Ware in den Warenschacht zu legen oder einfach den gefüllten Einkaufskorb ins Fach zu stellen. Integrierte RFID-Antennen im Boden des Warenschachts erkennen jedes einzelne gechippte Produkt. Die Artikel werden auf dem Display angezeigt, der Kunde bestätigt den Einkauf und zahlt. Bei registrierten Kunden wird der Betrag vom hinterlegten Zahlungsmittel abgebucht, wahlweise ist die Zahlung per Giro- oder Kreditkarte ebenfalls möglich. Ist der Kunde registriert, erhält er im Anschluss die Rechnung per E-Mail. Die abverkauften Produkte werden im Bestand vermerkt, so dass ein schnelles Auffüllen möglich ist. Für die komplette Hard- und Software ihres smarten Hofladens investierte die Geschäftsfrau insgesamt 24 000 €.
Hofeigene App zum Einkaufen
Sophie Braumiller hat ein weiteres Ass im Ärmel: Sie hat eine digitale App erstellt, mit der Kunden ähnlich wie im Onlineshop einkaufen können. Hierüber bietet sie, vom Schnitzel bis zur Leberwurst, 800 Produkte zum Verkauf an. Die bestellte Ware ist ebenfalls mit RFID-Codes gechippt, deshalb können die Kunden sie ganz unkompliziert auch zu SB-Verkaufszeiten abholen. In die Digitalisierung ihrer Hofmetzgerei haben die 25-Jährige und ihre Familie viel Arbeit gesteckt. „Allein das Fotografieren der Produkte für die App hat 100 Stunden Zeit gekostet“, sagt Sophie. Für den SB-Laden fallen pro Woche etwa 40 Stunden Mehrarbeit allein für das Vakuumieren und Chippen der Produkte an. Das Umrüsten der Theke vom Bedien- zum Selbstbedienungsmodus dauert ebenfalls zwei bis drei Stunden. Im Gegenzug zählt die Direktvermarkterin inzwischen rund 1 400 registrierte Kunden mit einem Durchschnittsbon von 28,87 €. Dank der gespeicherten Daten verschafft sie sich regelmäßig einen Überblick über das Einkaufsverhalten ihrer Kunden und versendet Newsletter. Lassen sich Neukunden registrieren, gibt es als Dankeschön einen 5-€-Einkaufsrabatt. Sophie ist überzeugt davon, dass sie mit ihrer digitalen Hofmetzgerei und den flexiblen Öffnungszeiten konkurrenzfähig aufgestellt ist.