Eine pinke Fahne mit dem Konterfei zweier Frauen weist uns den Weg zum 200 Jahre alten Mooshof. Wir sind zu Besuch bei Andrea Armellini und Brigitte Zöschg aus St. Walburg in Ulten. Die Biermacherinnen, so nennen sich Nichte und Tante selbst – und das mit gutem Grund: Sie haben eine heutige Männerdomäne zurückerobert und brauen im Nebenerwerb aus Malz, Hopfen und Hefe ausgefallene Biersorten. „Frauen bekamen früher einen Braukessel zur Mitgift“, weis Brigitte Zöschg zu erzählen.
Meisterin vom Fach
Andrea Armellini ist vom Fach. Sie ist die einzige ausgebildete Braumeisterin Südtirols und arbeitet hauptberuflich in einer großen Brauerei in Lana, wo sie auch lebt. Mit ihrem Faible für Selbstgebrautes hat sie auch ihre Tante Brigitte auf den Geschmack gebracht. Und so entstand die Idee, eine kleine Mikrobrauerei zu gründen. „Der erste Schluck war scheußlich bitter, wir hatten zu viel Roggen verwendet“, erinnert sich Armellini lachend an den misslungenen Brau-Start.
Ausgefallene Craftbiere
Fünf Jahre später und nach zahlreichen Verkostungen verstehen sich die beiden Frauen auf die Herstellung ausgefallener Craftbiere. Seit Anfang 2021 vermarkten sie ihr Bier selbst. Ihre Experimentierfreudigkeit mit Gewürzen und Geschmäckern zahlt sich aus. Das Bier schmeckt nach Rosmarin, Zitrus, Karamell oder fruchtigem Hopfen. Inzwischen stehen neun verschiedene Biere auf der Karte. Im Keller lagern je nach Saison sogar bis zu zwölf Sorten. „Unser ,Inser Helles‘, ein untergäriges, bernsteinfarbenes Vollbier mit feinem Malzaroma und frischer Hopfenblume, hat sich zum gefragten Klassiker entwickelt“, erzählt die Braumeisterin.
Der urige Bergbauernhof, den Brigitte Zöschg gemeinsam mit ihrem Mann Günther Hofer bewirtschaftet, ist zugleich Produktionsstätte und Hauptvermarktungsstandort. Im Keller befinden sich die 20 m2 kleine Brauerei und das Lager. Hier wird drei- bis viermal pro Monat Gerstensaft im Einrohrverfahren gebraut. Rund 6 500 € investierten die Biermacherinnen in ihre beiden Braukessel mit jeweils 100 und 50 l Fassungsvermögen. Sie dienen für das Ansetzen und Auswaschen der Maische sowie als Würzpfanne, zum Kochen der Würze. „Für 50 l Bier benötigen wir etwa 11 bis 12 kg Getreidemalz“, schildert Brigitte Zöschg. Dabei wird zwischen Basis- und Spezialmalz unterschieden. Die Basismalze aus Gerste, Weizen, Dinkel oder Roggen machen den Hauptteil der Mischung aus und werden zugekauft. Sie liefern die Enzyme, die beim Maischeprozess für die Umwandlung von Stärke zu Zucker verantwortlich sind. Im aufgeführten Beispiel sind rund 10 kg erforderlich. „Spezialmalze wie beispielsweise Rauchmalz stellen wir zum Teil selbst her“, so die Bäuerin. Es prägt den Sortencharakter eines Bieres. Für ihr Ultener Grünhopfenpils, ein helles Bier für entspannte Sommerabende, verarbeiten die Frauen zusätzlich hofeigenen Hopfen. Besonders ist auch die Reifung: Der erste Prozess findet bei kühler Lagerung im Fass statt und dauert sieben bis zehn Tage. Dann folgt die Flaschengärung bei Zimmertemperatur. „Wir füllen das Bier in 0,33-l-Longneck-Flaschen ab und geben etwas Zucker hinzu. Läuft es gut, entsteht innerhalb von drei Tagen die gewünschte Menge an Kohlensäure“, schildert Zöschg.
Tussi-Hibis-Kuss und Rauchiger Opa
Sehr kreativ ist das Frauenduo bei der Namensgebung für seine Bierkreationen, die im Verkauf 4 € pro Flasche kosten. So heißt ihr leichtes, fruchtiges Sommerbier, welches durch Hibiskusblüten rot gefärbt ist, treffend „Tussi-Hibis-Kuss“. „Wen wundert’s, dass dieses Bier viele weibliche Fans hat“, schmunzelt Andrea Armellini. Eine andere Sorte überzeugt mit ihrem Namen „Rauchiger Opa“. Es wurde nach der Verkostung vom Großvater der Familie als „flüssiger Speck“ betitelt, da das würzige, rotbraune Vollbier Rauchmalz enthält. Nichte und Tante haben erreicht, dass man über sie spricht. So zieren die Köpfe der Biermacherinnen das auffällige Flaschenetikett in Pink und Weiß. Inzwischen hat sich der hofeigene Ausschank mit Verkauf zum Hauptumsatzweg entwickelt. Die ausgefallene Biervielfalt, kombiniert mit der gemütlichen Panoramaterrasse, ist ein Magnet in der Region. Um so besser, dass Ehemann Günther Hofer im Team der Biermacherinnen als „Mädchen für alles“ tatkräftig mitwirkt, denn inzwischen haben sie ihre Produktion verdoppelt.
Betriebsspiegel
- Betriebsleiter: Brigitte Zöschg (53), Bäuerin, und Ehemann Günther Hofer (54), gelernter Metzger und Bauer, bewirtschaften den Hof im Nebenerwerb, Andrea Armellini (27), Braumeisterin
- Lage des Betriebs: Der 200 Jahre alte Mooshof liegt auf 1 000 m Meereshöhe in St. Walburg in Ulten, Südtirol; 4,5 ha Grün- und Ackerland, Hopfen, 10 Schafe, 2 Mutterkühe und Hühner.
- Vermarktung: 9 400 Flaschen pro Jahr, Absatzwege: Ausschank (28 Plätze innen, 60 Plätze im Außenbereich) und Verkauf ab Hof, mehrere Bars und Restaurants, vier bis fünf Sondermärkte, Biertasting, Bierbraukurse für bis zu fünf Personen (600 € inklusive 50 l Bier)
- Produkte: Neun Biersorten stehen auf der Karte: Inser Helles, Chef-Sud, Comet-Pils, Tussi-Hibis-Kuss, Kazbek, Rosmarie(n), Schworz, Fest-Bierl sowie Rauchiger Opa, rund zwölf Sorten lagern insgesamt im Keller, dazu zählen auch Saisonbiere wie Ultener Grünhopfen-Pils oder Holunder Spurmante.